„Wir haben einfach zu viele Baustellen offen“
Presse RP 27.10.2021
Der Trainer des Handball-Verbandsligisten spricht über die Gründe für den Absturz, die vielen Abgängen vor der Saison und mentale Probleme der Spieler.
WESEL | Die HSG Wesel hat in der Handball-Verbandsliga einen kompletten Fehlstart hingelegt. Nach fünf Spieltagen steht auf der Habenseite noch kein Punkt, allerdings musste das Team auch vier Mal in der Fremde antreten. Am kommenden Samstag (18.30 Uhr) wartet mal wieder eine Aufgabe vor heimischem Publikum, der vier Zähler aufweisende TV Aldekerk II kommt in die Sporthalle Nord. Trainer Jan Mittelsdorf, der nun seine vierte Saison bestreitet, über die Gründe der „Nulldiät“, den Abstiegskampf und wie es besser werden soll und kann.
Vor der Spielzeit gaben sie sich „echt euphorisch mit Blick auf die neue Saison“. Ist davon noch etwas geblieben?
JAN MITTELSDORF | Nicht mehr viel. Wir haben einfach zu viele Baustellen offen.
Sind die auch dadurch entstanden, dass kurz vor Saisonstart die eigentlich fest eingeplanten Daniel Hojan, Justin Rutte und Petar Popovic den Verein verlassen haben?
MITTELSDORF | Es wäre natürlich schön gewesen, wenn uns die drei zur Verfügung stehen würden. Letztlich sind die drei Abgänge aber nicht ausschlaggebend dafür, wo wir jetzt in der Tabelle platziert sind.
Sie sprechen von Baustellen, eine ist sicherlich die Defensive. Im Schnitt 34 Gegentreffer pro Spiel, das ist doch eher die Bilanz eines Absteigers…
MITTELSDORF | Klar, 34 Tore sind einfach zu viel. In der Abwehr heißt es ackern, ackern, ackern – da bekommt man rein gar nichts geschenkt. Wir müssen da mit mehr Schwung und Leidenschaft reingehen.
Liegt es auch an den Torhütern?
MITTELSDORF | Nein, die Negativserie kann man auf gar keinen Fall an den Torhütern festmachen. Wenn die Abwehr nicht vorhanden ist, dann hat der Torhüter auch keine Schnitte. Marius Hünting und Maximilian Bucksteeg hatten zwischendurch sicherlich nicht ihre rosigste Phase. Aber beide sind auch erst seit drei Wochen wieder richtig fit. Da fehlt logischerweise die Spielpraxis. Und wenn es dann auch keine Unterstützung von den Vorderleuten gibt…
Ist die Mannschaft derzeit eine einzige Baustelle?
MITTELSDORF | Nein, das ist sie nicht. Es geht auch nicht um vier, fünf Leute, jeder muss seinen Teil beitragen – auch alle auf der Bank. Wir haben eindeutig ein mentales Problem. Wir müssen an uns glauben, es mit aller Macht wollen.
Der Kopf spielt also nicht mit?
MITTELSDORF | Diese Niederlagenserie zehrt am Selbstvertrauen. Mit dem ersten positiven Ergebnis kommt bestimmt auch die Sicherheit. Wir brauchen den Erfolg schnellstmöglich, um wieder Ruhe reinzubringen. Dann geht bestimmt ein Ruck durch die Mannschaft.
Haben Sie sich schon damit abgefunden, dass die Saison zum reinen Abstiegskampf werden kann?
MITTELSDORF | Eigentlich möchte ich darüber gar nicht reden, aber derzeit müssen wir das leider. Stand jetzt wird es eine solche Spielzeit, wenn wir nicht ganz schnell die Kurve bekommen. Immerhin gibt es bei der sehr ausgeglichenen Liga für uns noch keine Riesenlücke zu den anderen Teams.
Mit Torsten Sanders haben Sie einen Deutschen Meister, allerdings in der Leichtathletik, in ihren Reihen. Bis zur A-Jugend hat er auch Handball gespielt. Wie läuft seine Gewöhnung an das Spiel?
MITTELSDORF | Bei ihm ist eine Steigerung erkennbar, aber er braucht einfach noch Zeit. Für Torsten ist jedes Spiel und jedes Training wichtig.
Der „Königstransfer“ im Sommer, Fabian Gorris vom Regionalligisten Dinslaken, beherrscht hingegen die Sportart. Warum kann der Routinier seine Kollegen nicht mit da unten rausreißen?
MITTELSDORF | Fabian ist ein Spieler, der von seinen Nebenleuten lebt. Gerade gegen ihn geht jede gegnerische Abwehr aggressiv vor. Die Leichtigkeit und Lockerheit fehlen ihm noch. Er muss noch seinen Platz im Team finden. Es braucht einfach noch ein paar Tage, um Fuß zu fassen.
Ralf Pollmann stellte die Fragen