Presse, RP 10.02.2022
Der Handball-Verbandsligist zieht seine erste Mannschaft zum Saisonende zurück und strebt einen Neustart an. Bei der im Abstiegskampf steckenden HSG Wesel nimmt man die Nachricht zwar überrascht, aber keineswegs euphorisch auf.
VON MICHAEL BLUHM UND ANDREAS NOHLEN
NIEDERRHEIN | Die Handball-Verbandsliga, sportliche Heimat der HSG Wesel, hat ihren zweiten Absteiger vorzeitig gefunden. Nach dem Hülser SV, der zum Saisonstart gar nicht erst angetreten war, hat nun der SV Neukirchen angekündigt, sich nach dieser Saison aus der Verbandsliga zurückzuziehen und in der Landesliga einen Neustart anzugehen. SVN-Abteilungsleiter Gregor Baar: „Der Handball-Verband-Niederrhein ist bereits informiert, wir werden alle Vorgaben fristgerecht und formell einhalten.“
„Das ist überraschend, ändert aber nichts an unseren Zielen“, sagt Christian Weber, Teammanager der immer noch mit 4:26 Punkten am Tabellenende rangierenden HSG Wesel. „Wir sind nicht blauäugig und müssen ohnehin zweigleisig planen. Denn auch jetzt noch könnte es durch die Konstellationen in den oberen Ligen bei uns zu einem vermehrten Abstieg in die Landesliga kommen.“ Weber weiter: „Ich bin aber auch der Meinung, dass wir ohne Schützenhilfe noch ein, zwei Mannschaften hinter uns lassen können. Die Jungs machen das im Rahmen ihrer Möglichkeiten schon erstaunlich gut.“
Der SV Neukirchen ist zu diesem krassen Schritt ein Stück weit gezwungen worden. Die Bedingungen in der neuen Sporthalle an der Gerhard-Tersteegen-Schule stimmen einfach nicht. Zu den vergangenen beiden Heimspielen kamen nur 18 und 29 zahlende Zuschauer. So fehlen wichtige Eintrittsgelder sowie Einnahmen aus Catering. Zudem ist die Halle ein emotionales Desaster. Keine Tribüne, nur Stehplätze hinter einer Plexiglasscheibe – wie soll da Stimmung aufkommen? Mal abgesehen davon, wie sich Sponsoren präsentieren könnten.
„Uns allen tut dieser Schritt unglaublich weh“, sagt Gregor Baar. „Wir überlegen schon seit vergangenem Dezember, haben alle Szenarien oft und immer wieder durchgekaut. Es ist besser jetzt und mit Anstand diesen schmerzlichen Schritt zu tätigen, als später und wenn es zu spät ist. Wir sind zwar aktuell wirtschaftlich noch gut aufgestellt, aber auf Dauer können wir ohne Einnahmen nicht überleben.“
Der SV Neukirchen, derzeit mit 11:17 Punkten auf Rang zehn, hat noch versucht, eine schlagkräftige Mannschaft für die Verbandsliga auf die Beine zu stellen. Doch alle Gespräche sind im Sande verlaufen. Potenzielle Neuzugänge haben aufgrund der stimmungstötenden Halle und auch wegen des Harzverbotes abgewunken. „Wir sind an unsere Grenzen gestoßen“, so Baar.
So wird sich der SVN komplett neu aufstellen. Regelmäßige finanzielle Zuwendungen sollen nicht mehr in die Mannschaft fließen. Das neue Konzept sieht vor, den Großteil der zweiten Mannschaft aus der Bezirksliga in die Landesliga hochzuziehen und den Kader mit verbliebenen Spielern aus der jetzigen „Ersten“ zu ergänzen. „Ich denke, in der Verbandsliga wären wir wöchentlich verhauen worden und die Lust wäre bei allen Spielern ganz schnell verflogen gewesen“, so Baar, „die Landesliga ist eine gute Plattform, um sich zu stabilisieren.“
Hermann Casper, Trainer des SV Neukirchen II, wird künftig bei der neuformierten Mannschaft das sportliche Sagen haben. „Als die Mannschaft über den Rückzug informiert wurde, waren wir alle zunächst einmal geschockt“, sagt SVN-Trainer Chris Oploh. „Die Situation ist nun richtig schwierig. Aber es ist auch ein Charaktertest. Wir sind allerdings Sportsleute und werden kein Spiel abschenken. Und trotz der traurigen Entscheidung: Mein persönliches Ziel ist es dennoch, den sportlichen Klassenerhalt zu schaffen und erhobenen Hauptes abzutreten.“